3. DiGA-Jahr: Einflussfaktoren auf den Erstattungsbetrag

Dieser Blogpost thematisiert, welche Einflussfaktoren auf den Erstattungsbetrag in bisherigen Schiedsstellenentscheidungen von größter Bedeutung waren.

Im November 2019 wurde durch die Verabschiedung des Digitale Versorgungs-Gesetz (DVG) die Möglichkeit geschaffen, digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) durch Ärzte/-innen und Psychotherapeuten/-innen auf Rezept zu verordnen. Durch die auf das DVG zurückzuführende Erweiterung des SGB V um § 33a (Digitale Gesundheitsanwendungen) wurden DiGA erstmals erstattbar durch die gesetzlichen Krankenkassen. Das Antrags- und Bewertungsverfahren wird dabei durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchgeführt. Das BfArM hat drei Monate Zeit über eingehende Anträge der Hersteller zu beschließen. Der Antrag kann sich auf eine endgültige oder vorläufige Listung im DiGA-Verzeichnis beziehen. Den Status einer endgültigen DiGA erhalten Hersteller, die bereits den vollständigen Nachweis positiver Versorgungseffekte durch den Einsatz ihrer DiGA erbringen konnten. Vorläufig gelistete DiGA sollen innerhalb eines einjährigen Erprobungszeitraumes den geforderten Nachweis erbringen.

Abbildung 1: Ergebnis der bisherigen Anträge im BfArM (Quelle: BfArM; Stand: 14.03.2023)

Von den insgesamt 167 eingegangenen Einträgen beim BfArM konnten 49 DiGA im Verzeichnis gelistet werden (Stand 14.03.23). Fünf dieser 49 DiGA wurden bereits wieder aus dem Verzeichnis gestrichen. Zudem wurde für diverse DiGA die Möglichkeit genutzt, die Erprobungsphase zu verlängern. Dies ist insbesondere preislich relevant, da aufgrund der Streichung nach verlängerter Erprobung Ausgleichsbeträge an die Krankenkasse gezahlt werden müssen. So wurde aufgrund fehlender Nachweise des klinischen Nutzens in einem Fall durch die Schiedsstelle ein Vergütungsbetrag von zehn Euro für die Zeit der verlängerten Erprobungsphase festgesetzt.

Evidenznachweis und vergleichbarer Versorgungskontext als wesentlicher Einflussfaktor auf den DiGA-Erstattungsbetrag

Abbildung 2: Status Quo DiGA-Verzeichnis und Erstattungsbeträge (Stand: 14.03.2023)

Von den elf bisher festgelegten Erstattungsbeträgen wurden fünf im Rahmen der Preisverhandlungen mit dem GKV-SV festgelegt und sechs durch die Schiedsstelle unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Jürgen Wasem.

Aus den bisherigen Schiedsverfahren zur Preisfindung digitaler Gesundheitsanwendungen zeichnet sich eine Systematik der Schiedsstelle ab, welche in wesentlichen Zügen der AMNOG-Systematik zur Festsetzung von Arzneimittelpreisen entspricht. Der DiGA-Vergütungsbetrag setzt sich, bisherigen Schiedsstellenentscheidungen folgend, aus den nachweisbaren positiven Versorgungseffekten (pVE) und den Selbstzahler- bzw. europäischen Preisen für die DiGA zusammen. Die Monetarisierung des pVE erfolgt über die Herleitung des vergleichbaren Versorgungskontextes (Erstattungshöhe der Krankenkassen) und einen Zuschlag. Der Zuschlag ist jedoch nicht im Sinne von § 35a SGB V als „Zusatznutzen“, sondern eher als „Effektausmaß“ zu betrachten.

Es zeigt sich, dass aus Sicht der Schiedsstelle insbesondere der vergleichbare Versorgungskontext als relevanter Preisanker dient. Laut Rahmenvereinbarung nach § 134 Abs. 4 und 5 können ebenfalls sonstige preisrelevante Unterlagen eingebracht werden. Diese müssen vor Beginn der ersten Preisverhandlungsrunde angekündigt und spätestens vor der zweiten Preisverhandlungsrunde der anderen Partei übermittelt werden. Diese ergänzenden Informationen wurden in bisherigen Schiedssprüchen zur Quantifizierung des vergleichbaren Versorgungskontextes berücksichtigt. Hierfür wurde in vier der sechs Schiedsverfahren eine Versorgungsdatenanalysen der Krankenkassen angeführt. Weitere eingereichte preisrelevante Unterlagen der Parteien, wie beispielsweise gesundheitsökonomische Modelle oder Gutachten konnten bisher keine explizite Berücksichtigung finden.  

4 von 6 der bisherigen Schiedssprüche zur Festsetzung des Vergütungsbetrags betrafen DiGA der Indikationsgruppe „Psyche“. In diesen wurde die kognitive Verhaltenstherapie als vergleichbarer Versorgungskontext herangezogen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und unter der Berücksichtigung, dass die DiGA nicht die Psychotherapie ersetzen könne, wurde seitens der Schiedsstelle von Behandlungskosten im Rahmen einer Gruppentherapie ausgegangen.

Von diesem Vorgehen wich die Schiedsstelle im kürzlich veröffentlichen Schiedsspruch zu Vivira im Bereich Rückenschmerzen ab. Da die DiGA eine signifikante Schmerzreduktion nach 12 Wochen, gemessen anhand der Verbal Numerical Rating Scale, im Vergleich zu Physiotherapie zeigen konnte, geht die Schiedsstelle davon aus, dass Vivira eine Alternative zur Physiotherapie darstellen kann. Daraufhin wurde Physiotherapie in Einzelbehandlung als vergleichbarerer Versorgungskontext herangezogen.

Die Abwägungen der Schiedsstelle zur Festsetzung des Zuschlags umfassen u. a. die Studienqualität, die Nutzendimension und das Ausmaß des Effektes.

Zudem werden zum Teil weitere Faktoren in den Schiedssprüchen berücksichtigt:

  • Effektausmaß der Vergleichstherapie
  • Epidemiologie der Erkrankung
  • Wahl des Komparators
  • Verzerrungspotenziale in der/den Studie(n)

Von den aktuell dauerhaft gelisteten DiGA befinden sich derzeit fünf DiGA in den Verhandlungen zum Erstattungsbetrag (s. Abb. 2). Für den Fall eines Schiedsspruches oder mehrerer Schiedssprüche könnten neue Informationen zur Berücksichtigung des vergleichbaren Versorgungskontextes folgen und potenziell neue Einblicke in die Vorgehensweise der DiGA-Schiedsstelle liefern.

„Make your next step smart”

SmartStep unterstützt Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen während des gesamten DiGA-Prozesses: beginnend mit strategischen Analysen der Produktidee und der Evidenzgenerierung bis hin zum Prozess der Preisverhandlung. Die Erfahrung zeigt, dass sorgfältige Strategieüberlegungen im Vorfeld bereits bei der Planung der Evidenzgenerierung die Grundlage für den späteren Verhandlungserfolg setzen. 

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