Ein Fall, der sich manchmal nicht umgehen lässt: Im Rahmen der Preisverhandlung können sich die Verhandlungsparteien pU (pharmazeutischer Unternehmer) und GKV-SV (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) nicht auf einen Erstattungsbetrag eines Arzneimittels oder/und weitere Vertragsbestandteile einigen.
Regulär ist der AMNOG-Prozess darauf ausgelegt, dass sich nach der Nutzenbewertung durch den G-BA die Preisverhandlungsperiode anschließt. In dieser Zeit ist es der Auftrag des pUs und des GKV-SV, gemeinsam einen Erstattungsbetrag für das Arzneimittel zu vereinbaren. Dies sollte gemäß Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V innerhalb von vier Verhandlungsterminen und sechs Monaten geschehen.
Jedoch liegen die beiden Parteien manchmal am Ende dieses Zeitraums noch (weit) auseinander in ihren Vorstellungen über den angemessenen Erstattungsbetrag oder einzelne Vertragsbestandteile. Die Gründe dafür können vielfältiger Natur sein. Meist ist es jedoch der Erstattungsbetrag, der zwischen den beiden Parteien streitig bleibt. Ist dies der Fall, ist gemäß § 130b Abs. 4 SGB V festgelegt, dass die Schiedsstelle angerufen werden muss und der dreimonatige Prozess des Schiedsverfahrens startet.
Wie läuft das Schiedsverfahren formal ab?
Nach Beginn des Schiedsverfahrens bereiten beide Parteien den sogenannten „konkretisierenden Antrag“ vor. Dieser beinhaltet eine Darlegung aller Rationalen und Argumente, die zur Lösung der streitigen Punkte beitragen sollen. Für die Abgabe der konkretisierenden Anträge wird eine Frist durch die Schiedsstelle bestimmt. Des Weiteren definiert die Schiedsstelle einen Termin zur mündlichen Verhandlung. Dieser Termin ist der eigentliche Tag der Schiedsstelle. Hier haben beide Parteien noch einmal die Möglichkeit, ihre Argumente im Plenum vorzubringen und auf die Argumente der anderen Partei einzugehen. Darüber hinaus dient der Termin der Schiedsstelle dazu, offene Fragen zu klären und die Argumentationen beider Seiten zu hinterfragen. Danach zieht sich die Schiedsstelle zurück. Diese besteht aus drei unparteiischen Mitgliedern, zwei Vertretern des pU und zwei Vertretern des GKV-SV. Sie entscheiden über den Ausgang der streitigen Sache und fassen hierfür den sogenannten Schiedsspruch.
Der Schiedsspruch enthält die Herleitung und Argumentation der Schiedsstelle sowie dessen finale Entscheidung zu den in Diskussion stehenden Sachverhalten. Während sowohl die Preisverhandlung als auch die Sitzung der Schiedsstelle vertraulich ist, ist der Schiedsspruch öffentlich zugänglich. Er kann bei der Geschäftsstelle der Schiedsstelle eingesehen werden.
Seit Juli 2019 ist Prof. Dr. Stefan Huster unparteiischer Vorsitzender der Schiedsstelle. Seit Beginn des AMNOGs liegen 62 Schiedssprüche vor, von denen sieben im Jahr 2022 entschieden wurden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass es bisher nur insgesamt 62 Schiedsverfahren gegeben hat. Die Schiedsstelle ist bemüht, dass sich beide Parteien bereits in der Phase der Erstellung der konkretisierenden Anträge erneut austauschen, spätestens aber während der mündlichen Verhandlung noch einmal gemeinsam zurückziehen, um sich auf weitere Aspekte und bestenfalls auch final zu einigen. Dies gelingt der Erfahrung nach überdurchschnittlich häufig. Es ist häufig für beide Parteien von Vorteil, sich auf diesem Weg zu einigen. So geben sie die Entscheidungsgewalt nicht an eine dritte Partei ab und können das Ergebnis stärker beeinflussen. Darüber hinaus bleiben so die Argumentationen und Diskussionen beider Parteien weiterhin vertraulich.
Im Gegenzug sind die Veröffentlichungen der Schiedssprüche häufig richtungsweisend für zukünftige Preisverhandlungen und Schiedsverfahren. Die Inhalte und damit die Argumentationen und Rationalen der Schiedsstelle werden analysiert, um Anhaltspunkte über zukünftige Entscheidungen der Schiedsstelle zu erhalten. Diese Erkenntnisse können in zukünftigen Preisverhandlungen sowohl von den pUs als auch vom GKV-SV genutzt werden, um die eigenen Rationalen zu plausibilisieren, aber auch um eine mögliche Entscheidung der Schiedsstelle zu prognostizieren.
Welche Themen gab es im Jahr 2022 in der Schiedsstelle?
Verschiedenste Therapiegebiete waren im vergangenen Jahr in der Schiedsstelle vertreten (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Schiedssprüche aus dem Jahr 2022 (Stand: 05.01.2023)
Davon handelte es sich bei zwei Verfahren um Orphan Drugs. In allen Verfahren war der Erstattungsbetrag zwischen den Parteien streitig. Die Schiedsstelle entschied in einem Fall einen Preisaufschlag von +65 %, für ein Verfahren Preisgleichheit und ansonsten einen Rabatt bis zu 99,8 %. Alle Entscheidungen der Schiedsstelle stellten interessante Aspekte heraus, die für zukünftige Schiedssprüche, aber auch für Preisverhandlungen relevant sein könnten (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2: Relevante Fragestellungen aus dem Jahr 2022. (Stand: 05.01.2023)
Wie kann SmartStep Consulting in dem Prozess unterstützen?
SmartStep Consulting analysiert alle bisher veröffentlichten Schiedssprüche basierend auf unterschiedlichsten Faktoren. Dieses Wissen wird zum einen für die strategische Vorbereitung und Unterstützung der Preisverhandlungen genutzt. Zum anderen können auf Basis dessen mögliche Szenarien der Schiedsstellenentscheidung aufgezeigt werden.
Darüber hinaus unterstützt SmartStep Consulting den pU im gesamten Prozess des Schiedsverfahrens. Die Unterstützung reicht hierbei von der kritischen Kommentierung des Entwurfs (des konkretisierenden Antrags) über die Strategieerstellung für das Schiedsverfahren bis zum Begleiten des pUs in der mündlichen Verhandlung.
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